Weibliche Genitalverstümmelung (3)

zu Teil 2, „Typen von FGM“ mit Grafiken weiblicher Genitalien
zu Teil 2, „Typen von FGM“ ohne Grafiken weiblicher Genitalien

Durchführungsbedingungen 

Wie die FGM-Formen, so unterscheiden sich auch die Umstände bei der Durchführung im Verbreitungsgebiet erheblich.

In manchen Regionen finden die Eingriffe ohne Narkose oder adäquate Schmerzbekämpfung und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen statt – oft im Freien, mit einem einfachen Messer, Rasiermesser, geschärften Stein, manchmal mit Glasscherben oder dem scharfen Rand einer Blechdose. Das Mädchen muss dabei extreme Schmerzen aushalten, was, ähnlich wie bei der rituellen „Beschneidung“ von Jungen, als wichtiger Bestandteil des Eintritts in das Leben als erwachsene Frau angesehen wird.

Die Durchführung unter solchen Bedingungen ist mit einer entsprechend hohen Komplikationsrate bis hin zu Todesfällen verbunden.

In anderen Ländern wird FGM dagegen von Ärzten und in Kliniken unter modernen Standards durchgeführt. Ein hoher Grad einer solchen „Medikalisierung“ liegt beispielsweise in Ägypten und Indonesien vor.


Gesundheitliche und sexuelle Folgen von FGM

Die gesundheitliche und sexuelle Beeinträchtigung der betroffenen Mädchen und Frauen variiert entsprechend dieser Unterschiede in Schweregrad und Durchführungsbedingungen ebenfalls erheblich.

Die schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bringt der Typ III (Infibulation oder pharaonische „Beschneidung“) mit sich, die durch die Durchführung unter katastrophalen hygienischen Bedingungen noch verschlimmert werden. Die Verengung der Vaginalöffnung und Narbenbildung behindern das Abfließen von Urin und Menstruationsblut, was zu Infektionen führt. Eine weitere Folge sind Schmerzen bzw. erhebliche Behinderungen beim Geschlechtsverkehr – bis hin zur Notwendigkeit, den Scheideneingang vor dem ersten Verkehr mit einem Messer zu öffnen.

Bei Geburten kann es insbesondere bei Typ III zu schweren Komplikationen bis hin zum Tod von Mutter und Kind kommen. FGM kann auch zu Unfruchtbarkeit führen, wobei die Wahrscheinlichkeit mit dem Ausmaß der Verstümmelung steigt.

Die sexuellen Folgen von FGM sind schwer zu erfassen, da entsprechende Daten nur aus – gerade in Ländern mit einer Tabuisierung von (weiblicher) Sexualität – unzuverlässigen Befragungen gewonnen werden können. Außerdem erfolgt der Eingriff meist vor der Pubertät, so dass die betroffenen Frauen ihr sexuelles Erleben nicht mit der intakten Sexualität vergleichen können. Daher sind alle Studienergebnisse – wie übrigens auch bei entsprechenden Erhebungen über die Auswirkungen der Vorhautamputation beim Jungen – mit einer gewissen Unzuverlässigkeit behaftet.

Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass jede Entfernung oder Verletzung von empfindsamem Genitalgewebe zu Einschränkungen der sexuellen Stimulierbarkeit und dementsprechend der Orgasmusfähigkeit führt. Genital verstümmelte Frauen leiden insgesamt häufiger an Schmerzen beim Verkehr, haben ein geringeres sexuelles Verlangen und erreichen weniger sexuelle Befriedigung.

Allerdings ist selbst bei infibulierten Frauen die Empfindungsfähigkeit zwar stark beeinträchtigt, aber nicht komplett aufgehoben. Viele berichten sogar, dass sie einen Orgasmus erleben können. Bei überwiegend weniger invasiven FGM-Typen in Nigeria konnte kein Unterschied in Bezug auf die Häufigkeit von Geschlechtsverkehr und dabei erlebter Erregung sowie Orgasmus zwischen verstümmelten und intakten Frauen nachgewiesen werden, wobei von FGM Betroffene häufiger nicht ihre Klitoris, sondern ihre Brüste als sexuell sensitivste Körperteile benannten.

Im Übrigen fallen auch Eingriffe, die von manchen europäischen oder amerikanischen Frauen unter anderem zur Steigerung des sexuellen Lustempfindens freiwillig nachgefragt werden, grundsätzlich in die FGM-Klassifizierung der WHO.

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