„Beschneidung“ vor Gericht – in Israel
Der „Stern“ berichtete vor einigen Tagen von einem Gerichtsverfahren in Israel, bei dem eine Asylbewerberin aus Eritrea angeklagt ist, weil sie ihren vierjährigen Sohn selbst „beschnitten“ hat. Dies ist verwunderlich – aber auch erfreulich – in einem Land, in dem (laut „Stern“-Artikel) 98 % der Männer die Vorhaut ohne medizinischen Grund entfernt wurde.
Vorgeworfen wird der Eritreerin allerdings auch nicht die Körperverletzung des Kindes an sich, sondern neben dem Alter des Jungen und der Verwendung anderer als der traditionellen jüdischen Instrumente, dass sie den Jungen festgehalten habe und seine Schreie ignoriert habe, während sie „die Haut vom Sexualorgan abtrennte“.
Es stellt sich natürlich die Frage, inwiefern Festhalten, Schreien und Abtrennen der Haut vom Sexualorgan bei dem traditionellen jüdischen Ritual anders ist. In der Tat argumentiert auch die Verteidigung der Mutter, dass dies von allen „Beschneidungen“ behauptet werden könne – allerdings mit dem Ansinnen, ihre Tat damit zu rechtfertigen und nicht mit dem Ziel, allen Kindern diesen Übergriff zu ersparen.
Weiterhin wird argumentiert, dass es in ländlichen Gebieten von Eritrea üblich sei, dass Frauen auch bei Kindern, die bereits ein paar Jahre alt sind, die Vorhautamputation durchführen. Doch das will das Gericht nicht gelten lassen: Kulturelle Traditionen könnten dazu dienen, Missbrauch zu vertuschen. Auch dieses Argument kann selbstverständlich genauso auf die jüdische „Beschneidungs“-Tradition angewendet werden.
Der weitere Verlauf des Gerichtsverfahrens könnte interessant werden. Wird es tatsächlich, wie der „Stern“-Artikel schließt, vor allem um die Frage gehen, wer und wann eine „Beschneidung“ durchführen darf?
Oder wird sich das Gericht mit grundsätzlicheren Fragestellungen wie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung auseinandersetzen müssen? Mit der Frage, ab welchem Alter ein Kind – bzw. ein Junge, denn bei Mädchen gibt es darüber selbstverständlich keine Diskussion – das Recht hat, nicht festgehalten zu werden und sein vollständiges Sexualorgan zu behalten?
Und welche rechtsstaatlichen Verrenkungen wird das Gericht, werden eventuelle weitere Instanzen, vollführen müssen, um zu verhindern, was nicht sein darf: Dass dieses Verfahren dazu führt, dass auch die religiöse Vorhautamputation am 8. Lebenstag auf den Prüfstand und in Frage gestellt wird?