Genitale Selbstbestimmung

Was bedeutet genitale Selbstbestimmung? 

Genitale Selbstbestimmung ist ein elementares und universelles Grundrecht. Es ergibt sich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der UN-Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – insbesondere der Menschenwürde, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, den persönlichen Freiheitsrechten und der Gleichheit aller Menschen. 

roseDie Genitalien sind wertvolle und hochgradig sensible Teile des menschlichen Körpers. Jeder operative Eingriff, selbst wenn dabei kein Gewebe entfernt wird, kann zu Einschränkung oder Verlust von Empfindungsvermögen und sexueller Funktionsfähigkeit führen. 

Genitale Selbstbestimmung bedeutet, dass angesichts dieses Risikos alle Menschen – weiblich, männlich oder intersexuell – selbst frei entscheiden dürfen, ob sie einen optionalen, d.h. nicht unmittelbar medizinisch notwendigen, Eingriff an ihren Genitalien durchführen lassen wollen, wenn sie erwachsen sind und die Tragweite dieser Operation verstehen können. 

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Betroffenen sich dafür entscheiden, weil sie ein gesundheitliches Problem haben, weil es Teil ihrer Religion oder Kultur ist, weil sie ihr Geschlecht ändern wollen, weil sie es attraktiver finden oder aus anderen Gründen. 

Unabdingbar ist allerdings, dass sie vor der Operation umfassend und wahrheitsgemäß aufgeklärt werden, welche Risiken es gibt, welche Auswirkungen der Eingriff hat bzw. haben kann und welche Behandlungsalternativen eventuell zur Verfügung stehen.
 

Schutz für Kinder und Jugendliche 

familieIm Umkehrschluss ergibt sich aus dem Recht auf genitale Selbstbestimmung, dass Kinder und Jugendliche, die insbesondere die sexuelle Tragweite einer Operation an den Genitalien noch nicht erfassen können und in ihrer Meinungsbildung noch stark von ihrem sozialen Umfeld abhängig sind bzw. die ihre eigenen Wünsche noch nicht gegenüber ihrer Familie durchsetzen können, vor derartigen Eingriffen geschützt werden müssen. 

Ausnahmen darf es nur dann geben, wenn eine Operation unmittelbar medizinisch notwendig ist. Dann dürfen auch die Eltern bzw. Sorgeberechtigten eines kleinen Kindes oder eines Menschen, der z. B. aufgrund einer Behinderung nicht selbst darüber entscheiden kann, stellvertretend dem Eingriff zustimmen. 

Auch in diesem Fall müssen jedoch zunächst alle Behandlungsalternativen abgewogen werden, die Betroffenen müssen altersgemäß in die Entscheidung einbezogen werden und ihr Wille muss – im medizinisch vertretbaren Rahmen – berücksichtigt werden. 

In Ausnahmefällen können auch optionale Eingriffe bei minderjährigen Jugendlichen im Einklang mit dem Prinzip der genitalen Selbstbestimmung stehen, wenn es sich um einen ausdrücklichen und eigenständigen Wunsch des bzw. der Betroffenen handelt, die für einen solchen Schritt erforderliche persönliche Reife gegeben ist und eine umfassende Aufklärung erfolgt ist.