Positionspapier, Ziele und Vorhaben

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Für genitale Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung: 

1.     Wir treten für das Recht auf genitale Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung aller Menschen ein, insbesondere aller Kinder. Dieses Recht leitet sich ab aus den Grundsätzen

    • der Menschenwürde,
    • der körperlichen Unversehrtheit,
    • der freien Entfaltung der Persönlichkeit,
    • der Religionsfreiheit,
    • der Gleichheit aller Menschen und
    • des Schutzes vor Gewaltanwendung und Misshandlung,

die in den folgenden Rechtswerken niedergelegt sind, zu denen wir uns als Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens in Deutschland und weltweit ausdrücklich bekennen:

    • dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland,
    • der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und
    • der UN-Kinderrechtskonvention.

Ablehnung medizinisch nicht indizierter Eingriffe: 

2.     Mit Hinblick auf dieses universale Recht auf genitale Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung lehnen wir alle nicht aus medizinischer Notwendigkeit oder aus eigenem Antrieb des mündigen Betroffenen erfolgenden Eingriffe an den Genitalien und in die sexuelle Identität von Kindern und Erwachsenen ab, insbesondere:

    • alle Formen der Beschneidung von Jungen aus religiösen, kulturellen, sozialen, prophylaktischen oder vermeintlich therapeutischen („Phimose-OP“) Gründen
    • andere Formen der männlichen Genitalverstümmelung wie Häutung des Penis und Aufschlitzen der Harnröhre (Subinzision)
    • alle Formen der weiblichen Genitalverstümmelung nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO
    • auf gesellschaftlichen Druck erfolgende Schönheitsoperationen an den weiblichen („Designer-Vagina“) und männlichen Genitalien
    • das Geschlecht festlegende oder verstärkende Maßnahmen bei Intersexuellen
    • Korrekturen angeborener Fehlbildungen wie Hypospadie, Epispadie oder Klitorishypertrophie, wenn sie rein kosmetischer Natur sind

Bedingungen für zulässige Eingriffe an Genitalien: 

3.     Eingriffe an den Genitalien oder in die sexuelle Identität dürfen bei Minderjährigen, die insbesondere die sexuellen Folgen derartiger Eingriffe nicht übersehen und nicht selbst einwilligen können, nur erfolgen, wenn

    • die medizinische Notwendigkeit gegeben ist, d.h. wenn eine Behandlung unmittelbar erforderlich ist, um die Gesundheit wiederherzustellen,
    • Behandlungsalternativen nachweislich nicht zur Verfügung stehen,
    • die Erziehungsberechtigten vor der Einwilligung umfassend über Risiken und mögliche negative, insbesondere sexuelle, Folgen des Eingriffes informiert wurden und
    • auch das Kind oder der/die Jugendliche seinem/ihrem Alter angemessen über die Operation informiert und in die Entscheidung einbezogen wurde.

Bei Erwachsenen dürfen sie auch dann erfolgen, wenn

    • der/die Betroffene selbstbestimmt und ohne äußeren Druck in den Eingriff einwilligt und
    • nachdem er/sie umfassend über Risiken und mögliche negativen, insbesondere sexuellen, Folgen des Eingriffes sowie eventuelle Behandlungsalternativen informiert wurde.

Ablehnung des „Beschneidungsgesetzes“: 

4.     Den am 12.12.2012 durch den Deutschen Bundestag beschlossenen § 1631 d BGB (sogenanntes „Beschneidungsgesetz“) lehnen wir ab, da er

    • gegen das deutsche Grundgesetz, insbesondere die Menschenwürde und den Gleichheitsgrundsatz verstößt,
    • Eltern einen Freibrief erteilt, ihre männlichen Kinder aus beliebigen Gründen beschneiden zu lassen,
    • Jungen vollkommen schutzlos stellt und ihnen die Möglichkeit nimmt, nach Erreichen der Mündigkeit Klage einzureichen,
    • gerade bei den Jüngsten das Umgehen grundlegender Anforderungen an eine Operation, wie der Durchführung unter sterilen Bedingungen und ausreichender Betäubung, ermöglicht und
    • keine Überwachung der zum Schutz der Kinder gesetzten, minimalen Anforderungen vorsieht.

Wir befürworten und fordern eine Gesetzgebung, die Menschen ohne Ansehen ihres Geschlechtes, Alters und ihrer Herkunft vor Übergriffen auf ihre körperliche, insbesondere genitale, Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung schützt. Dies beinhaltet ein Verbot von medizinisch unnötigen Beschneidungen an Minderjährigen unter 18 Jahren. 

Zielerreichung durch Aufklärung, Unterstützung Betroffener, Zusammenarbeit und politischen Druck: 

5.     Zur Erreichung unserer Ziele wollen wir die Gesellschaft, insbesondere auch Eltern, über den Wert intakter Genitalien, die Risiken und Folgen von Eingriffen an den Genitalien, darunter auch männliche Beschneidung, aufklären. Hierbei wollen wir uns auch gegen Bagatellisierungen und Fehlinformationen einsetzen und ein kritisches Bewusstsein für echte medizinische Indikationen von Eingriffen an den Genitalien fördern. 

6.     Wir wollen eine Anlaufstelle für Betroffene von Eingriffen an den Genitalien sein, auch für Männer, die unter ihrer Beschneidung leiden, und ihnen Mut machen, darüber zu sprechen. 

7.     Wir unterstützen das Anliegen von intersexuellen Menschen, ihre geschlechtliche Identität selbst bestimmen zu dürfen und mit dieser Identität gesellschaftlich akzeptiert zu werden. 

8.     Wir wollen Verbände ansprechen, Bündnispartner suchen und Kinder- und Menschenrechtsorganisationen bitten, sich klar gegen medizinisch nicht notwendige und nicht selbstbestimmte Eingriffe an den Genitalien, hierbei auch gegen Zwangsbeschneidungen von Jungen, auszusprechen und den betroffenen Kindern nicht aus einem falsch verstandenen Toleranzbegriff heraus die Solidarität zu verweigern. Dies soll sowohl für deutschlandweit als auch für international tätige Vereine und Organisationen gelten. 

9.     Wir wollen, unter anderem mit Hilfe von Bündnispartnern und Experten, wie zum Beispiel Medizinern und Juristen, Druck auf die Politik ausüben, die Verfassungswidrigkeit des § 1631 d BGB („Beschneidungsgesetz“) anzuerkennen und eine Änderung dieses Gesetzes zu erwirken. 

10.           Wir wenden uns nicht gegen Religionen allgemein oder gegen religiöse Menschen. Wir streben vielmehr die Zusammenarbeit mit jenen Menschen an, die Beschneidung oder andere Formen der Genitalverstümmelung praktizierenden Kulturen und Religionen angehören und die diese Praktiken bereits in Frage stellen. Wir möchten sie bestärken und dabei unterstützen, in ihren Gemeinschaften den Wandel von Zwangsbeschneidungen von Kindern zu selbstbestimmten Entscheidungen Erwachsener über ihre Beschneidung herbeizuführen.