Intaktiv-Botschafter-/innen


Angelika Bergmann-Kallwass, Psychotherapeutin und Fernsehmoderatorin

„Mich empört die Verletzung von menschlichen Grundrechten. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und genitale und sexuelle Selbstbestimmtheit ist ein solches Menschenrecht, das in unserer und vielen anderen Verfassungen und internationalen Vertragswerken verbrieft ist. Mich empört es im Besonderen, wenn Kinder davon betroffen sind, die den Tätern und Täterinnen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sind, sie aber oft auch lieben. Die Beschneidung ist ein grausamer Akt von „großen“ Menschen „kleinen“ Menschen gegenüber, der die Persönlichkeit der Betroffenen in ihrem Vertrauen in sich selbst und Andere zerstört, der den Körper UND die Seele beschneidet – sie ist ein Urtrauma mit physischen, psychischen und psychosomatischen Folgen.“


Prof. Dr. Rolf Dietrich Herzberg, Rechtswissenschaftler, Ruhr-Universität Bochum

„Ich trete entschieden ein für die Ziele und das Schutzanliegen von intaktiv. Mein Engagement geht darauf zurück, dass ich vor Jahren, jedenfalls unter den Juristen, als erster Anstoß genommen habe an der Praxis der rituellen Beschneidung des männlichen Kindes. Ich habe sie nach langem Nachdenken als rechtswidrige Körperverletzung gebrandmarkt und werbe heute öffentlich für die Einsicht, dass § 1631 d des Bürgerlichen Gesetzbuches, der sie in Grenzen erlaubt, mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist.“


Dr. Nadja Hermann, Verhaltenstherapeutin und Autorin

„Ich hoffe, dass in 50 Jahren jemand diese Vereinsseite liest und sagt: ‚Wow, stell dir vor, es gab früher mal einen Verein namens ‚intaktiv‘ … Kannst du dir vorstellen, dass man damals begründen musste, warum man Kindern nicht einfach an ihren Genitalien herumoperieren sollte?'“

Anlässlich ihrer Rolle als Botschafterin hat Nadja Hermann am 12.12.2016 auf ihrer „erzaehlmirnix“-Webseite einen neuen Comic zum Thema veröffentlicht.


Prof. Dr. Matthias Franz, Universitätsprofessor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Es gibt keine medizinischen Gründe dafür, einem gesunden kleinen Jungen seine gesunde Vorhaut abzuschneiden. Die Beschneidung ist mit hohen körperlichen, sexuellen und psychischen Gesundheitsrisiken behaftet. Die rituelle Beschneidung stellt darüber hinaus eine kollektive Gewalterfahrung und ein patriarchalisches Branding dar, welches das Recht des Stärkeren unhinterfragbar etabliert.

Auch ins Religiöse transformierte archaische Bräuche können kein Sonderrecht zur Anwendung von Gewalt gegenüber Kindern für sich beanspruchen. Der gewaltfreie Umgang mit Kindern und der vorbehaltlose Schutz der Genitalien von Mädchen und Jungen ist zentral für die Entwicklung von Empathie – auch innerhalb von Gesellschaften. An diesem verfassungsrechtlichen Prüfpunkt hat die Politik in Deutschland unter dem Druck religiöser Lobbygruppen bisher versagt.

Ärzte und Psychoanalytiker sollten Haltung zeigen und helfen, indem sie ohne gesicherte und dokumentierte medizinische Indikation nicht beschneiden, keine abrechnungsrelevanten Gefälligkeitsdiagnosen stellen und leidenden Betroffenen auch als Psychotherapeuten mit Verständnis zur Verfügung stehen.


Ulla Barreto, Vorsitzende TABU INTERNATIONAL e. V. und Koordinatorin Kenia

Nachdem man die nunmehr etwa 30jährigen Aufklärungsaktionen gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in der EU vielleicht als „Türöffner“ für die Bewusstmachung gegen derartige Folterrituale ansehen kann, ist es überfällig, sich über die Wechselwirkungen von FGM und männlicher Genitalverstümmelung (MGM) klar zu werden und sich für einen länderübergreifenden und geschlechtsneutralen Kinderschutz stark zu machen.

Wir haben uns nach jahrelanger Fokussierung auf FGM dieser Aufgabe gestellt und erfahren in Kenia, dass die Aufklärung zu MGM sehr unterschiedlich aufgenommen wird: Einerseits gibt es schroffe Widerstände, andererseits zeigt sich bei der jugendlichen männlichen Bevölkerung viel Interesse, denn alle Kinder haben Angst vor diesem Ritual, selbst wenn sie mit Geschenken und Versprechungen besänftigt werden.

Der 2012 in einem Schnellverfahren entstandene § 1631 d BGB, der die „Beschneidung“ an minderjährigen Jungen ohne medizinische Indikation erlaubt, steht im Widersprujch zu § StGB 226 a (Verbot von FGM) und ist für uns nicht akzeptabel.


Dr. Necla Kelek, Autorin und Soziologin

Die Söhne Allahs werden von ihren Eltern auch heute noch selbstverständlich beschnitten, weil es Brauch und Tradition in der islamischen Welt und im kulturellen Umfeld üblich ist. Unbeschnittene Jungen werden in der türkisch-islamischen Gesellschaft nicht akzeptiert, die Beschneidung gehört zum Muslim-Sein und unauflöslich zur männlichen Identität. Und diese gewinnt nur, wer Schmerzen ertragen kann. Wer die nicht aushält, wer nicht bereit zu sein scheint, einen Teil von sich Allah zu opfern, gehört nicht dazu.

Mit diesem Hintergrund lehne ich die Beschneidungen an nicht einwilligungsfähigen Jungen ab.


Ralf König, Comic-Zeichner und -Autor

Das für allzu selbstverständlich gehaltene Herumschnippeln an den Geschlechtsteilen von Kleinkindern ist uralten Riten geschuldet und eines der Überbleibsel religiöser Sexualfeindlichkeit. Es ist ein Eingriff ohne medizinische Not! Die Unversehrtheit des Körpers ist ein Menschenrecht, gerade für Babys und Kinder! Lasst die Menschen erwachsen werden und selbst entscheiden, wie sie es mit Gott halten. Mir ist klar, dass dieses Ziel derzeit utopisch anmutet, aber das sollte nie ein Grund sein, die Dinge nicht zu benennen.


Seyran Ateş, Rechtsanwältin und Autorin

Als konsequente Vertreterin der Grund- und Menschenrechte, die für mich universell gültig sind, kann ich es nicht akzeptieren, dass man einen irreversiblen, körperlichen Eingriff an Jungen vornimmt, die in der Regel gar nicht religionsmündig sind. Liegt keine medizinische Notwendigkeit für die Beschneidung des Jungen vor, sollte man das Recht des Jungen auf körperliche Unversehrtheit uneingeschränkt akzeptieren. Ein solches Individualrecht des Kindes geht dem Kollektivrecht der Eltern bzw. der Familie vor.


Dr. Jérôme Segal, Historiker, Essayist und Journalist

Kinder sind Personen und haben Rechte, darunter ein Recht auf die physische Unversehrtheit. Die Religionsfreiheit gilt nur, wenn niemand gestört wird, niemandem weh getan wird. Einem Kind die Vorhaut zu amputieren ist eine Verstümmelung, zum Glück häufig ohne ernste Folgen, aber leider oft genug mit psychischen und/oder physischen Konsequenzen, um es zu untersagen.

Piercing und Tattoos sind je nach Land ab 14, 16 oder 18 Jahren erlaubt, warum soll man also mit 8 Tagen oder 5-7 Jahren die Genitalien eines Kindes operieren dürfen? Erwachsene haben prinzipiell an den Genitalien von Kindern nichts zu suchen, auch nicht aus religiösen Gründen. Wenn es darum geht, ein Kind in einer Kultur oder einer religiösen Gemeinde willkommen zu heißen, kann man es wohl ohne Messer tun!

Als Jude und Historiker habe ich mich gefragt, warum in Deutschland Juden ab ca. 1830 aufgehört haben, Söhne zu beschneiden. Es war spannend und ich habe zum Thema auf deutsch und französisch publiziert. Immer wieder habe ich auch Gelegenheit zu erklären, dass man wohl Jude sein kann, ohne seine Kinder zu amputieren. Daher unterstütze ich gerne „Intaktivisten“ in allen Ländern.


Ann-Marlene Henning, Sexologin

Streichen Sie sich mit zwei Fingern über Ihren Handrücken. Die Empfindlichkeit, die Sie so spüren, ist ungefähr so wie am Schaft des Penis. Streichen Sie nun über die Innenfläche eines Ihrer Hände. Die Empfindlichkeit hier entspricht die der Vorhaut. Diese im positiven Sinne besonders sensible Haut einfach zu entfernen, ist Körperverletzung und meist komplett unnötig.

Ich bin strikt dagegen.


Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime

Wenn wir diesem potenziell tödlichen Übergriff auf den Körper von Kindern ein Ende setzen, können wir weltweit viele Kinder vor dem Tod und auch vor tiefen Verletzungen ihres körperlichen und auch geistigen Wohls bewahren. Was für eine Gesellschaft sind wir, in der im Namen von Religion oder Kultur unsere Kinder verletzt werden und ihr Leben für immer beeinträchtigt wird?

Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit und es ist unsere Aufgabe, dieses Recht mit unseren Aktivitäten und unserem Kampf durchzusetzen!

Ombeni Stickdorn-Ngonyani, Autorin und zertifizierte Referentin für globales Lernen

Meine Stimme, meinen Namen und mein Gesicht möchte ich gerne positiv einbringen, um gemeinsam gegen weibliche Genitalverstümmelung und grundlose Vorhautamputationen an Jungen vorzugehen und für die genitale Selbstbestimmung intergeschlechtlicher Menschen einzutreten. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir uns von unnötigen Vorurteilen befreien und aufhören, zu schweigen und zu tabuisieren. Im Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes steht: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner  Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. In diesem Sinne geht es darum, Gleichheit zu garantieren und den Schutz vor Diskriminierung für alle sicherzustellen, damit die freie Entfaltung der Persönlichkeit aller Menschen gewährleistet wird.

Dr. Thomas Kreutzig-Langenfeld, Facharzt für Urologie mit Praxis in Koblenz

Als langjährig tätiger Urologe mit universitärer Ausbildung bin ich sehr häufig mit der Frage der Notwendigkeit einer Beschneidung befasst. Es ist für mich immer wieder negativ beeindruckend, wie leichtfertig mit der Indikation zur Beschneidung besonders bei Kindern umgegangen wird.

Eine Beschneidung ohne medizinischen Grund sollte obsolet sein. Die Vorhaut ist kein sinnloser Hautlappen, sondern ein hochsensibles Organ, welches nicht einfach entfernt werden sollte. Urologen sollten mit dieser Thematik sehr viel sensibler umgehen, als sie das zum gegenwärtigen Zeitpunkt tun.

Ich kritisiere auch offen die Haltung und das Vorgehen der Urologen, die den Eindruck vermitteln, als gäbe es bei der Beschneidung nur ein Alles-oder-Nichts-Prinzip. Selbstverständlich sind sparsame Beschneidungen oder plastische Operationen im Falle einer operationsbedürftigen Enge möglich und sollten im Rahmen der Aufklärung auch von allen Urologen angeboten werden.