Weibliche Genitalverstümmelung (2b)

zu Teil 1, „Begrifflichkeit und Verbreitung“

Typen von FGM

Die Bandbreite der unter dem Sammelbegriff weibliche Genitalverstümmelung zusammengefassten Eingriffe ist sehr groß. Sie reicht von Einschnitten ohne Gewebeentfernung, die teilweise sogar von Ärzten im Nachhinein nicht mehr erkannt werden können, bis hin zu extremen Verstümmelungen wie bei der Infibulation oder pharaonischen „Beschneidung“.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet vier Typen und einige Untertypen, die im Folgenden erläutert werden.


Typ I
Entfernung des äußeren Teils der Klitoris und / oder der Klitorisvorhaut 

Typ I A
Entfernung der Klitorisvorhaut ohne Entfernung der Klitoriseichel

Dieser Typ wird auch als Sunnah-„Beschneidung“ bezeichnet und ist anatomisch äquivalent zur „Beschneidung“ von Jungen, bei der die Vorhaut der Peniseichel entfernt wird.

Typ I B
Entfernung der Klitorisvorhaut mit Entfernung der Klitoriseichel

Die pauschale Formulierung „Entfernung der Klitoris“ ist nicht korrekt, da die gesamte Klitoris wesentlich größer ist als der äußerlich sichtbare, zugängliche Teil und tief ins Innere des Körpers reicht.


Typ II

Teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris inklusive Vorhaut sowie Entfernung von Teilen der kleinen (inneren) Schamlippen mit oder ohne Entfernung der äußeren Schamlippen (Exzision). 

Typ II A
Entfernung der kleinen (inneren) Schamlippen

Typ II B
Entfernung der kleinen (inneren) Schamlippen und vollständige oder teilweise Entfernung der Klitoriseichel

Typ II C
Entfernung der kleinen (inneren) und großen (äußeren) Schamlippen sowie der Klitoriseichel (ganz oder teilweise)


Typ III
Verschluss der Vaginalöffnung durch Aufschneiden und Zusammennähen der kleinen (inneren) Schamlippen (Typ III A) und/oder Aufschneiden und Zusammennähen der großen (äußeren) Schamlippen (Typ III B)

Diese schwerste Form der weiblichen Genitalverstümmelung wird auch Infibulation oder pharaonische „Beschneidung“ genannt. Es werden alle äußeren Genitalien entfernt und die Wunde bis auf eine kleine Öffnung im Bereich der Scheide vernäht oder mit Dornen geschlossen.

In den Medien liegt ein starker Fokus auf FGM vom Typ III, so dass der Eindruck entstehen kann, dass alle genitalverstümmelten Mädchen und Frauen diese extreme Form erleiden mussten. Der Anteil von Typ III liegt in den afrikanischen Ländern, zu denen Zahlen vorliegen, jedoch meist im Bereich von 1-13 %. Im Sudan werden allerdings 73 % der Frauen auf diese grausame Weise verstümmelt.


Typ IV
Hierunter werden alle Praktiken zusammengefasst, die die weiblichen Genitalien schädigen, keinem medizinischen Zweck dienen und sich den anderen Typen weiblicher Genitalverstümmelung nicht zuordnen lassen. Typ IV umfasst z. B. Einschnitte in die Genitalien, (unfreiwillige) Piercings, Ausbrennen der Klitoris, Einbringen von ätzenden Substanzen, die die Scheide vernarben und enger machen sollen.

Unter diesen Typ fallen grundsätzlich auch Eingriffe wie die Wiederherstellung des Jungfernhäutchens sowie (freiwillige) kosmetische Operationen im Genitalbereich.

zu Teil 3, „Durchführungsbedingungen und Folgen“