zu Teil 1, „Entstehung und Wortlaut“
Absatz 1 des Gesetzes
1631 d ist einer von mehreren Paragrafen des BGB, die die „Elterliche Sorge“ regeln. Eltern wird mit Absatz 1 des § 1631 d BGB explizit gestattet, ihre minderjährigen Söhne an der Penisvorhaut „beschneiden“ zu lassen, auch wenn es dafür keinen medizinischen Grund gibt.
Ursprünglich war vorgesehen, die „Beschneidung“ von Jungen neben den ohnehin schon zulässigen „Beschneidungen“ bei einer medizinischen Indikation auch bei religiösen und/oder traditionell-kulturellen Motivationen straffrei zu stellen. Tatsächlich gilt die Erlaubnis des § 1631 d BGB jedoch unabhängig von der Begründung für die „Beschneidung“.
Laut § 1631 d BGB dürfen Eltern ihre minderjährigen Söhne also aus beliebigen Gründen (bzw. ganz ohne Begründung) „beschneiden“ lassen. Sie sind nicht verpflichtet, zu erklären, warum sie die „Beschneidung“ wünschen, und es wird von niemandem überprüft, ob die vorgebrachten Gründe zutreffend bzw. mit dem Kindeswohl zu vereinbaren sind.
Neben ihrem religiösen Glauben können Eltern die Operation also zum Beispiel auch deshalb durchführen lassen, weil sie ihrem Sohn die Selbstbefriedigung erschweren wollen, weil sie einen „beschnittenen“ Penis hygienischer, ästhetischer oder erotischer finden, weil sie glauben, die „Beschneidung“ habe gesundheitliche Vorteile, weil der Bruder, der Vater oder die Klassenkameraden des Jungen ebenfalls „beschnitten“ sind oder einfach so, weil es gerade in Mode ist, Jungen die Vorhaut zu amputieren.
Nur wenn ein Elternteil oder ein Außenstehender Zweifel daran hat, dass eine geplante „Beschneidung“ dem Kindeswohl entspricht und rechtzeitig etwa ein Gericht oder das Jugendamt einschaltet, greift der einschränkende zweite Satz des Absatzes 1 und es besteht die Möglichkeit, eine „Beschneidung“ zu verhindern.
Laut Absatz 1 des § 1631 d BGB müssen „Beschneidungen“ nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden. Um diesem Anspruch zu genügen, ist eine ausreichende Betäubung erforderlich, die aber insbesondere bei sehr kleinen Jungen (Neugeborene, Säuglinge, Kleinstkinder) entweder gar nicht möglich oder wegen unkalkulierbarer Risiken nicht vertretbar ist.
Auch hier ist eine Kontrolle oder Überprüfung nicht vorgesehen und auch hier gilt, dass eine „Beschneidung“ wider die Regeln der ärztlichen Kunst (also zum Beispiel ohne ausreichende Betäubung) nur dann verhindert oder im Nachhinein bestraft werden kann, wenn ein Elternteil nicht einverstanden ist oder ein Außenstehender eingreift.
Absatz 2 des Gesetzes
In der orthodox-jüdischen Religionsauslegung muss die „Beschneidung“ eines Jungen strenge Kriterien erfüllen, damit sie religiös „gültig“ ist. So muss sie unter anderem am 8. Tag nach der Geburt stattfinden und durch einen jüdischen rituellen Beschneider, einen Mohel, erfolgen.
„Nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ können allerdings nur Ärzte operieren. Damit „Beschneidungen“ durch Mohels (oder Mohelim) dennoch weiter möglich sind, wurde Nicht-Ärzten mit Absatz 2 des § 1631 d BGB die Möglichkeit eingeräumt, Jungen bis zum Alter von sechs Monaten zu „beschneiden“. Die dafür notwendige Ausbildung und Befähigung wird allerdings nicht von einer staatlichen Stelle festgelegt und überprüft, sondern die Religionsgemeinschaften können selbst darüber entscheiden.
Gemäß § 1631 d BGB dürfen also nunmehr auch Personen „Beschneidungen“ an Babys durchführen, die bei Komplikationen nicht die notwendige Ausbildung haben, um das Problem zu erkennen und zu behandeln. Auch eventuell dafür benötigte medizinische Ausstattung steht bei den meist in Synagogen oder Privaträumen stattfindenden „Beschneidungen“ nicht zur Verfügung. Und da ein sakraler oder privater Raum in der Regel nicht (wie etwa ein Operationssaal) steril ist und Gäste anwesend sind, besteht eine höhere Infektionsgefahr.
Außerdem dürfen Nicht-Ärzte keine örtliche Betäubung und natürlich auch keine Vollnarkose verabreichen. Die alternativ von Mohels verwendeten Mittel (beispielsweise süßer Wein, Zuckerwasser, Salben oder Zäpfchen) sind für eine adäquate Schmerzbekämpfung nachweislich ungeeignet oder völlig wirkungslos.
Gerade die jüngsten und schwächsten von religiösen, rituellen oder traditionellen „Beschneidungen“ betroffenen Jungen tragen also das höchste Komplikations-, Infektions- und ggf. Narkoserisiko und sind dem Eingriff hilflos und unter Umständen sogar ohne jegliche Schmerzbekämpfung ausgesetzt.